Es könnte doch alles so schön sein. Unterhält man sich mit den Socialnetwork-Romantikern, zu denen ich mich ein Stück weit auch zähle, dann sind die Social Networks zentrales Bindeglied, Nachrichtenquelle, sozialer Hub. Der arabische Frühling wird da gerne ins Feld geführt ebenso wie heute aktuell occupygezi.
Wir halten uns für sehr viel besser und sehr viel ausgewogener informiert als das gemeine Dummbürgerschaf, das sich der Tagesschau als einziger Nachrichtenquelle bedient. In unserem Wissen, dass die Tagesschau filtert (Vom March against Monsanto ist bis heute auf tagesschau.de selbst unter Nutzung der Suchfunktion nach „Monsanto“ nix zu finden) erheben wir uns in ungeahnte Höhen politischer und gesellschaftlicher (Meinungs-)Bildung.
Auf der anderen Seite stehen Statements von Politikern oder Wirtschaft, die unter Shitstorms oder negativem Wirbel in den Netzwerken zu leiden haben. Eine Gefahr für die Demokratie seien die Netzwerke, unkontrollierbar, rechtsfreier Raum.
Und ich stelle hier mal die gewagte Behauptung auf: Die haben durchaus nicht unrecht.
Was in den Netzwerken passiert wurde gerade heute besonders deutlich.
158 Twitterbeiträge war der Output des Accounts von Blockupy am 01.06.2013. Es gab was schlechtes zu berichten.
Heute, bei sehr erfolgreichen Revival als Antwort auf die Blockupyblockade letzter Woche brachte es Blockupy auf gerade mal 24 Tweets. Keine Katastrophen, keine Schimpftiraden möglich. Wobei einige dieser 24 sich ja auch noch mit der Nacharbeit zu letzter Woche befassen.
Ich empfinde das als symptomatisch und nehme mich da selber auch garnicht aus. Wenn etwas schlechtes passiert, dann wird geshared was das Zeug hält. Alles, was Aufregerpotential hat, kann einigermaßen sicher sein, verbreitet zu werden, bestenfalls einen richtigen Shitstorm auszulösen, der sich vielleicht sogar 2 oder 3 Tage hält.
Es gibt aber auch gute Nachrichten. Hier zum Beispiel aus der HAZ:
Poste einen solchen Artikel in die Netzwerke und er erhält mit Glück eine Handvoll „likes“ oder „plusse“ und ein paar Kommentare, aber in der Regel bleibt es dabei dann auch. Mit Pech schlägt es aber auch ins Gegenteil um und die an sich nicht negative Nachricht wird zerpflückt, auseinandergenommen und in etwas negatives verkehrt.
Nun wissen wir aber doch alle, dass wo die Peitsche ist, das Zuckerbrot nicht fehlen darf. Uns selbst gönnen wir das Zuckerbrot in Form von Katzenbildern, flachen Witzen und schönen Fotos. Was aber liefern für für einen Anreiz, dass Politik und Wirtschaft die Netzwerke schätzen lernen?
Ich würde mir in den Netzen eine ausgeprägte Candystorm-Kultur wünschen. Ich würde mir wünschen, dass wir viel mehr die Nachrichten suchen, die uns gefallen, die Leute suchen, die Dinge tun, die uns gefallen und diesen Leuten eine Welle der Sympathie entgegenschwappen lassen. Wenn wir immer nur schimpfen und das schlechte zeigen, immer nur in Wunden bohren oder neue Wunden aufreißen, dann arbeiten wir auch aktiv daran, den Willen, uns zu verdrängen, zu verstärken. Viel schöner wäre es doch, eine Gier danach zu wecken, in den Netzen gut anzukommen.
Nur mal so als Idee…