Diaspora… Ein Gezeitenwechsel?

asteriskDiaspora* erlebt scheinbar einmal mehr Zulauf. Keine Tsunamiwelle, aber womöglich ein Gezeitenwechsel?

Auch ich habe mich entschlossen, Diaspora* mal eine Chance zu geben und habe mich vor wenigen Tagen kurzerhand auf dem Pod wk3.org angemeldet. Auf dem Pod? Jupp, auf dem Pod! 

Und da sind wir auch schon beim ersten und größten Unterschied zu den bekannten Größen der Sozialen Netze.

Dies ist zugleich wohl die große Stärke und die große Schwäche des Diaspora*-Netzes.

Die Daten liegen nämlich bei Dispora* nicht zentral auf einem Server irgendeines Anbieters sondern dezentral auf verschiedensten Pods, die sich dort, wo Bedarf besteht, gegenseitig „synchronisieren“ bzw., wie es bei Diaspora* heisst, federieren. Die Pods können von Privatpersonen gehosted werden, von Unis, von Dir, von mir. Da ich nun nicht über einen selbst administrierten Webserver verfüge, habe ich mich für einen bestehenden Pod enschieden. Getreu dem Motto „in der Kürze liegt die Würze“ habe ich mich dabei für wk3.org entschieden. Es gibt viele weitere Pods in unterschiedlichen Ländern und mit kleinen Unterschieden im Detail. Eine Liste gibt es hier.

Auswahl_019Einfach und angenehm gestaltet sich die Anmeldung. Einen Usernamen aussuchen, eine Emailadresse eingeben (wird nicht geprüft), ein Passwort festlegen und los geht’s. Damit hat man ein Profil auf dem gewählten Pod erstellt, das sich dann insgesamt wie folgt liest „Benutzername@pod-URL“. Die Angabe der pod-URL ist dabei unabdingbar, da der gleiche Benutzername auch auf verschiedenen Pods vorkommen kann.

Auch die Profilsteuerung ist einfach und übersichtlich. Der Anzeigename kann, unabhängig vom Benutzernamen, frei vergeben und jederzeit geändert werden. Ferner beschreibt man sich selbst mit 5 typischen Hashtags, kann einen Profiltext eingeben, einige Basisinformationen wie Geburtstag, Wohnort und Geschlecht. Alle Angaben sind dabei freiwillig. Ferner kann man einstellen, ob das Profil im Suchindex erfasst und damit in der Kontaktsuche findbar ist sowie, ob man das Profil als „Not Safe for Workspace“ definieren möchte, also Inhalte posted, die nicht den Community-Richtlinien entsprechen (ich nehme an, dann wird der Inhalt in manchen Streams irgendwie gefiltert).

Dann gibt es noch allerlei Einstellungen zu Email-Benachrichtigungen etc. die selbsterklärend sind, eine Blockliste (die ich einmal mehr nicht verwenden werde wenn nichts unvorhergesehenes passiert) sowie die Möglichkeit, sich mit Twitter und Facebook zu verbinden. Damit kann man dann seine Posts auf Diaspora* direkt auch an seinen Facebook und/oder Twitter Account senden.

Auswahl_020So… damit hat man sich eingerichtet. Ich persönlich habe auf die Verbindung zu Twitter und fb verzichtet… vielleicht hol ich das noch nach. Ein Blick in den Stream offenbart ein paar rudimentäre Willkommens-Popups die grundliegende Funktionen erklären, wie poste ich, wie lese ich, wie selektiere ich, was ich in meinem Stream sehe.

Kernelemente der Ansicht sind links ein Menü, mit dem ich den Inhalt meines Streams kontrolliere (Es sind Kontaktgruppen, die hier „Aspekte“ heissen sowie Hashtags auswählbar), oben links ein Menü, in dem ich meinen Stream, meine Aktivitäten (also alle Posts, die ich erstellt oder in denen ich mich eingemischt habe), Benachrichtigungen sowie Persönliche Nachrichten erreiche (PNs und Benachrichtigungen inkl. Anzeige über Anzahl neuer Elemente) sowie oben rechts eines für mein Profil, über das ich auch meine Kontake abrufen kann. Rechts finden sich allerlei Zusatzinfos.

Der Stream selber sieht ähnlich aus wie google+ vor der Umstellung auf das neue, mehrspaltige Layout. Ich finde das sehr angenehm und übersichtlich. Er ist chronologisch sortiert. In der Ansicht „Meine Aktivitäten“ findet sich ein Stream, der nur jene Inhalte anzeigt, in denen ich mich irgendwie bemerkbar gemacht oder die ich erstellt habe. Dafür reicht schon ein „Gefällt mir“. Hier sortiert sich der Stream nach dem zuletzt von irgendwem interagierten Beitrag. Sehr übersichtlich. Bei Diaspora* ist es nicht möglich, Kommentare mit „gefällt mir“ zu versehen. Das scheint erst fehlend, animiert aber dazu, sich verbal bemerkbar zu machen an Stelle eines im Vorbeilesen hingeklickten likes. Gefällt mir.

Posts erstellen ist grundsätzlich einfach, kann aber auch recht komplex werden im Vergleich zu anderen Netzwerken. Eine Meldung tippen und versenden ist erstmal ebenso einfach wie das Einbinden von Bildern von der Festplatte (max. 4MB) über einen kleinen Kamera-Button im Editorfeld.

Hinzu kommen dann eine Vielzahl an Formatierungsmöglichkeiten über kurze Codes. Überschriften in verschiedenen Größen, Bullet-Listen und Zahlen-Listen, Fett, Kursiv, Freitext mit Links hinterlegen, Bilder von http-Quellen einbinden sowie verschiedene Symbol-Automatismen (z.B. “->” = “→”) geben viele Möglichkeiten, einen Post aufzurüschen. Diaspora* setzt dabei auf #Hashtags und @Mentions (die allerdings nur in den Eingangsposts möglich sind. Das ist beabsichtigt, um zu vermeiden, dass Leserechte durch spätere @Mentions korrumpiert werden).

Das posten eines Youtube-Links führt innerhalb weniger Minuten dazu, dass der Server diesen Link als solchen registriert und das Video automatisch einbettet (wegen der Zeitverzögerung ist das am Anfang etwas irritierend). Ebenso werden Soundcloud– und Twitter– Links automatisch eingebettet. Standardmäßig erfolgen Posts nur an die eigenen Kontakte. Jedes öffentliche Teilen muss bewusst als solches gesetzt werden. Im Moment teile ich noch vieles „aus Versehen“ privat, aber das ist immer noch besser, als andersrum… Was fehlt ist eine Funktion, um bestehende Posts oder Kommentare zu editieren. Löschen und neu posten geht, editieren geht nicht. Das bedeutet für mich, dass ich bewusster poste… man kann sich damit anfreunden. Eine tolle Zusammenfassung mit Tutorials zur Textformatierung und anderen Tipps und Tricks gibt es hier.

Zum einfachen Teilen von Webseiten gibt es Add-Ons für Firefox und andere Browser, eine gute Liste dieser Erweiterungen findet sich hier.

Auswahl_021Fotos gehen bei Klick in einer Lightbox auf, bei mehreren Fotos im Post in einer Ansicht, in der unten eine Leiste mit Miniaturen ist, die sich bei Klick in der großen Ansicht öffnen. Die Einzelpost-Ansicht von Diaspora* finde ich sehr gelungen, sie ist aber leider (noch?) ein wenig hakelig. Unten findet sich eine Kommentarbox, die Pfeile rechts und links lassen durch die einzelnen Posts scrollen. Ist nur ein Bild im Beitrag, wird es als Hintergrund eingesetzt (siehe Bild weiter unten). Visuell ist diese Ansicht für mich eines der Highlights in Diaspora, sie wird allerdings im Moment komplett überarbeitet, da sie wie beschrieben recht hakelig ist.

Die Einteilung der Kontakte erfolgt, wie gesagt, in so genannte „Aspekte„. Das entspricht in etwa den Kreisen bei google+. Im Stream kann man dann über das Menü links Haken setzen, welche Aspekte im Stream angezeigt werden sollen. Jeder Kontakt kann auch mehreren Aspekten zugeordnet werden. Diaspora* folgt dabei einer Mischung aus Follower– und Freunde-Prinzip. Fügt man jemanden einem Aspekt zu, so kann man seine öffentlichen Posts in seinem Stream lesen. Fügt der Gefolgte einen selbst ebenfalls hinzu, kommen auch die eingeschränkt für den zugeordneten Aspekt geposteten Inhalte an. Über die Funktion einer PN-Funktion muss wohl nichts gesagt werden.

Auswahl_022Die Suche nach Kontakten gestaltet sich auf Diaspora* teilweise etwas kompliziert. Wie oben gesagt, handelt es sich um ein dezentrales System, was bedeutet, dass nicht alle Userdaten auf allen Pods direkt liegen, sondern verteilt sind auf viele Pods. Man kann Kontakte durch Eingabe des Namens in ein Suchfeld oben im Menü suchen. Hierbei kann man z.B. den Anzeigenamen des Users verwenden, was auf dem eigenen Pod oder bei mit dem eigenen Pod bereits irgendwie verbundenen Usern gut geht. Besser und zuverlässiger funktioniert es, wenn man den Useraccount des gesuchten eingibt, also „Username@pod-URL„. Hierbei kann es immer noch vorkommen, dass der gesuchte nicht auf Anhieb gefunden wird, weil sich die Pods erst synchronisieren müssen. Ein paar Minuten später hat die selbe Suche dann meist Erfolg.

Weiterer Nebeneffekt der dezentralen Struktur ist, dass Kommentare oder Beiträge von Kontakten auf anderen Pods manchmal mehrere Minuten brauchen, bis sie ankommen. Bei schnellen Diskussionen kann das schonmal zu Durcheinander oder Wartezeiten führen.

Alles in Allem muss man sagen, dass Diaspora* schon rein, was die Nutzerzahlen angeht, mit den „Großen“ (noch?) nicht mithalten kann. Im Gegenzug bin ich angenehm überrascht, es tut sich eigentlich permanent was im Stream und es ist erheblich weniger Trivial-Content als neuesterdings selbst bei g+ kursiert.

Am Ende ist es eine Frage der Haltung, die man hat. Ich werde jedenfalls auf g+ präsent bleiben, habe für mich aber beschlossen, künftig speziell Plattformen wie g+ und fb gegenüber vorsichtiger zu sein, jedes Fitzelchen meiner persönlichen Meinung, oder dessen, was man dafür halten könnte, preiszugeben.

Ich will die Plattformen nutzen, aber nicht von den Plattformen benutzt werden.

Da liegen die großen Vorteile bei Diaspora*. Meine Daten sind begrenzt, meine Äußerungen liegen primär auf einem Server, einem Pod, dessen Standort ich kenne, mit dessen Admin ich persönlich kommunizieren kann. Es fühlt sich ein bisschen „freier“ an. Es ist also am Ende die Frage „Freiheit oder Komfort“ die sich stellt.

Nun… heute bin ich bereit, Komfort zu Gunsten der Freiheit ein Stück weit abzugeben… und wenn genug Leute mitmachen, wer weiß, dann kann das richtig was werden. Es lohnt sich jedenfalls, Alternativen zu suchen… „Think out of the Box„… am besten so weit „out of the Box“, dass man garnicht mehr an die Box denkt…

In diesem Sinne: Probiert’s mal aus, es lohnt sich. Die Community ist sehr nett und man findet schnell Kontakte, der Stream füllt sich (noch?) langsam, aber das können wir ändern… ich arbeite daran… Gründe gibt es heute ja genug, sich den „Großen“ ein Stück weit zu entziehen… Ist ja auch ein Stück weit ein Statement… die Marktmacht des Users besteht letztlich nur aus nutzen, oder eben nicht nutzen… und solange wir alle weiter genau die Dienste mit Daten füttern, wo wir wissen, dass sie abgegriffen werden, geben wir alle unser stillschweigendes Einverständnis, dass das so schon okay ist, oder?

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