Der heutige Tag gibt mir zu denken.
Gestern Nacht wurden die Netze ja nun förmlich geflutet, von der Meldung, Robin Williams sei verstorben.
Die Effekte waren ebenso vorhersehbar wie erstaunlich. Betroffenheit, eine Welle von Posts professioneller Medien ebenso wie ein Schwall von Trauerbekundungen, Zitaten, Bildern, auch ich hab mich da durchaus ein Stück weit dran beteiligt.
Unmittelbar einher mit diesen ersten Trauerbekundungen allenthalben kamen die Einwürfe, warum ein Promi nun so einen Hype „genösse“, wo doch so viel viel schlimmeres Leid in der Welt kursiert, so viele schlimmere Tode gestorben würden. Natürlich unmittelbare Erwiderungen nach sich ziehend, usw. usf.
Zum Morgen dann eine Aktion, die ich durchaus rührend finde. Allüberall begannen Menschen, Bilder von sich selbst, auf Tischen stehend, ins Netz zu schwemmen… jene Geste aus der Club der toten Dichter, die mit Robin Williams verbunden wird. Das wiederum machte wieder manchem Unwohlsein… ohne das näher benennen zu können, schien es seltsam, was da passiert.
Was passiert denn da?
Ich musste überlegen, was wohl passiert wäre, wenn sich die sozialen Netze zum Zeitpunkt von Michael Jacksons Tod schon so entwickelt gehabt hätten, wie sie es heute sind. 2009 hatte fb ca. 200Mio. Nutzer, Twitter dürfte mit ca. 10 Mio. Nutzern ins Jahr 2009 gestartet sein… heute sehen diese Zahlen anders aus…
Oder Curt Cobain? 1994? Soziale Netze… hmmm… man stelle sich vor, die sozialen Netze hätten zu diesen Zeiten schon so ausgesehen, wie heute…
Durch die Netze, durch die Möglichkeiten der Kommunikation, hat sich eine neue Art entwickelt, mit solchen Promi-Trauerfällen umzugehen. Eine Art, die man, glaub ich, nur mit „öffentlicher Intimität“ beschreiben kann.
Curt Cobains Tod hat mich geschockt, kam unerwartet, und war damals immerhin wichtig genug, dass ein Eil-Ticker ins laufende Fernsehprogramm eingeblendet wurde (sehr zum Erstaunen meiner Eltern, die mit dem Namen wohl nicht wirklich was anfangen konnten). Dennoch blieb man mit seinem Schock weitgehend alleine, ein Gespräch auf dem Schulhof, das wars. Die „Trauer“, so man das denn so nennen konnte, blieb sehr intim, eigen, nicht großartig kommuniziert.
Heute nun kann man seine Trauer nicht nur kommunizieren, sondern sogar publizieren – was viele Robbie Williams Fans auf facebook heute wohl auch irrtümlich bewiesen haben – und muss nicht mehr im stillen Kämmerlein mit seinen Gedanken alleine umherbuttschern.
Das heisst natürlich unter Umständen auch, dass sich Einzelne profilieren wollen, im Allgemeinen überwiegt aber, denke ich, einfach diese Kombination aus Trauer/Schock und dem Gefühl, sich nun irgendwie äußern zu müssen… oder auf Äußerungen anderer reagieren zu müssen…
Denn wenn dann die ersten mal losgelegt haben, dann setzt so eine Art“Wettrüsten“ ein. Man kann doch den anderen nicht hinterherstehen. Und hopps, schon kommen zwei oder mehr parallele Bewegungen in Gang. Die Einen, die versuchen, ihre Trauer noch toller, gefühlvoller und symbollastiger zur Geltung zu bringen, die Anderen, die das ganze ins Triviale oder ins Lächerliche zu ziehen suchen, um dem Sog zu entgehen (und die ihn, ganz nebenbei, dabei noch anheizen…) und dann noch solche, die das Thema als Sprungbrett nutzen möchten, um andere Themen in den Fokus zu rücken…
Plötzlich wird Trauerarbeit öffentlich, medial und kontrovers…
Sicherlich ist das eine neue Art, mit dem Tod von beliebten Personen der Öffentlichkeit umzugehen. Für mich persönlich ziehe ich es vor, das als etwas schönes wahrzunehmen, dennoch bleiben Merkwürdigkeiten, die irritierendes.
Niemand würde wohl auf die Idee kommen, solcherlei wie heute im Netz gesehen zu veranstalten, wenn zum Beispiel seine Oma stürbe. Das bleibt etwas intimes, familiäres. Für augenscheinlich „wildfremde“ aber, werden Grafiken erstellt, Gedichte geschrieben, Texte verfasst.
Warum dieser Aufwand, für jemand „fremden“?
Ich glaube, bei populären Personen des öffentlichen Lebens verschwimmen die Grenzen des „Fremden“. Der „Promibonus“, glaube ich, ist weniger ein „Promibonus“ als ein „Nähebonus“, viele sind offenbar wirklich emotional bewegt.
Robin Williams ist da wohl ein besonders gutes Beispiel. Mork vom Ork lief, als ich gerade das Licht der Welt erblickte, Club der toten Dichter, als ich 12 war, Hook, als ich 14 war, Mrs. Doubtfire, Jumanji, the Birdcage, der 200 Jahre Mann, A.I., Nachts im Museum, zuletzt sah ich ihn in The Crazy Ones vor kurzem erst… stets Rollen, die irgendwo auch philosophisch was boten, stets humorig, aber fast immer auch mit ernstem Hintergrund, emotional.
Was will ich sagen… Robin Williams begleitete wohl viele schon seit Jahrzehnten. Er war in Wohnzimmern, hat zum grinsen gebracht aber sicher auch die eine oder andere Träne der Freude oder der Traurigkeit gebracht, hat Gänsehaut gemacht vor Rührung und Bauchweh vor Lachen. Was sonst als Nähe sollte man empfinden für jemanden, der so viel Emotion, wenn auch gefiltert durch die Mattscheibe oder Leinwand, in jemandes Leben gebracht hat?
Und so, glaube ich, kommt es dann zusammen. Diese „individuelle kollektive Verbindung“, die viele, jeder einzeln für sich, zu solchen Stars aufgebaut haben, erlebt plötzlich Gemeinsamkeit… man kann seine Trauer Kommunizieren, damit arbeiten – ja, damit „spielen“ – und steht dabei in einer großen Gruppe, aber eben immer noch als Einzelner, der sich äußern, der die Trauer gestalten kann. Das, denke ich, hat es so noch nie gegeben. Das ist irritierend, aber auch irgendwie gut, Gemeinsamkeit und Kommunkation, wo doch Trauer sonst so still ist.
Wir werden uns daran gewöhnen müssen glaube ich, obwohl… die Zeit von Persönlichkeiten, die wie die oben genannten ganze Generationen zusammen bringen, die Zeit von „Welt-Stars“ wie Michael Jackson, die am Ende wohl mehr Popularität hatten, als manches religiöses Oberhaupt, scheint mir zu Ende zu sein… zu Kurzlebig die Medienlandschaft, zu fragmentiert die Stile…
In jedem Fall fand ich es insgesamt schön, zu beobachten, was heute geschah, wie die Welt der sozialen Medien gemeinsam getrauert hat, bis dahin, dass in den Nachrichten der Öffis plötzlich Moderatoren auf dem Moderationstisch stehen…
Ich hoffe, der Artikel tritt nun niemandem auf die Füße, das soll er nicht, er soll kein Rezept sein und keine Belehrung, ich wollte einfach nur meine Gedanken zum heute gesehenen und erlebten wegschreiben…
In diesem Sinne…. O Captain, my Captain…
Dein Beitrag hat mich zmindest so berührt, wie der Anlass selbst.
Gruß TLW